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Das Leitungs-Duo der Berlinale: Carlo Chatrian (l) und Mariette Rissenbeek. Alexander Janetzko / Berlinale

Abschied nach fünf Jahren als Berlinale-Spitze | Mariette Rissenbeek & Carlo Chatrian im Interview

Gespräch über die 74. Ausgabe der Filmfestspiele, den Abschied der Berlinale-Leitung und die Kritik an Einladungen zur Berlinale

12.02.2024 Ron Stoklas

Ab dem 15. Februar ist die Filmwelt wieder zu Gast in Berlin – dann beginnt die 74. Berlinale! Bis zum 25. Februar findet die diesjährige Ausgabe der Internationalen Filmfestspiele Berlin statt. Gezeigt werden mehr als 250 Filme. Wir haben vor dem Start mit der Doppelspitze der Berlinale, Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und dem künstlerischen Leiter Carlo Chatrian, gesprochen.

Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian im Interview

FluxFM: Fünf Jahre sind sie gemeinsam an der Spitze dieses Festivals aktiv. Was sind Dinge, auf die Sie rückblickend besonders stolz sind?

Mariette Rissenbeek: Das ist natürlich für fünf Jahre schwer, einen Moment herauszunehmen. Für mich persönlich ist es, dass wir in zwei Jahren Pandemie ein Format gefunden haben, um das Festival umzusetzen. Und dass wir in beiden Jahren auch gezeigt haben, dass das Interesse des Publikums komplett ungebrochen war. Und in Jahren ohne die Pandemie würde ich sagen, dass wir gezeigt haben, dass das Festival auf konstant hohem Niveau Tickets verkauft hat. Und dass diese Begeisterung fürs Kino, die es generell immer schwankend gibt, bei der Berlinale immer wieder total bestätigt wird. Das bestätigt, wie wichtig es für Menschen ist, gemeinsam Filme im Kino zu sehen.

FluxFM: Jetzt steht für diese Berlinale für sie beide im Zeichen des Abschieds. Gibt es in den nächsten zwei Wochen, noch einen Moment, auf den sich besonders freuen? Ein kleines persönliches Highlight?

Mariette Rissenbeek: Eine gefährliche Frage, weil Carlo schon weiß, womit ich anfange. Ich habe in diesem Jahr ein Projekt initiiert, indem wir elf Kurzfilme über Fußball, Inklusion und Diversität machen lassen haben. (Anm.d.Red.: gemeint Berlinale meets Fußball) Elf Kurzfilme über elf Jugendvereine aus ganz Deutschland. Und diese Filme werden bei der Berlinale ihre Premiere haben. Und wir werden alle elf Teams zur Berlinale einladen. Das heißt, wir sind mit 130 Jugendlichen bei der Premiere, und am nächsten Tag machen wir einen Workshop zum Thema Film. Und das ist ein Projekt, worauf ich mich sehr freue, weil es Menschen, die sich vielleicht eher für Sport oder Fußball interessieren, an ein Festivalerlebnis und ans Kino heranführt. Und gleichzeitig haben wir durch diese Filme noch einmal die Möglichkeit, die Themen Diversität und Inklusion weiterzuverbreiten.

Carlo Chatrian: Eine schwierige Frage. Jedes Jahr machen wir eine Party für die Mitarbeiter. Die findet am Montag nach Ende des Festivals statt. Und das ist der richtige Abschied für mich. Das wird der richtige Abschied und ein emotionaler Moment. Feiern mit unseren Mitarbeitern.

FluxFM: Kurz vor dem Festival will man eigentlich nur über positive Dinge sprechen. Und doch müssen sie sich in den vergangenen Tagen auch mit ganz anderen Dingen auseinandersetzen. Im Fokus stehen Einladungen zu den diesjährigen Filmfestspielen, speziell zur Eröffnung der diesjährigen Berlinale. Es gab große Kritik an verteilten Einladungen, unter anderem an Politiker*innen der AfD. Es folgte ein kritischer Brief mit Unterschriften von über 200 Kulturschaffenden aus der ganzen Welt. Wie geht man als Festival damit, wenn so etwas auf einen zukommt?

Mariette Rissenbeek: Es ist natürlich so, dass die Berlinale auch mit öffentlichen Mitteln vom Abgeordnetenhaus und vom Parlament finanziert wird es. Entsprechend stehen dann Menschen aus den Kulturausschüssen auf einer bestimmten Einladungsliste. Das war bisher die normale Gepflogenheit. Dass das in einem Jahr, indem sehr viel Aufmerksamkeit für Demokratie und die antidemokratische Haltung der AfD aufkommt, dass das einen anderen Fokus bekommt, darauf war ich tatsächlich nicht ganz vorbereitet, das muss ich sagen. Das hat mich überrascht, weil es jetzt so plötzlich kam. Gleichwohl kann ich es natürlich auch verstehen, weil es emotional auch schwer nachvollziehbar ist, dass eine Berlinale, die für Antidiskriminierung, für Offenheit, für Demokratie steht. Dass da Menschen eingeladen werden, die eine deutlich andere Haltung haben und die auch darüber nachdenken, dass Ausländer aus dem Land geschafft werden müssen. Dass das befremdlich ist und zu Irritationen führt, kann ich total nachvollziehen. Nichtsdestotrotz war es natürlich eine große Belastung für das Team, weil die gesamte Berlinale dafür Rede und Antwort stehen musste, obwohl das Team natürlich gar nichts dafür kann.

Eine gekürzte Version des Interviews war am 12. Februar 2024 im FluxFM-Programm zu hören. Aufgezeichnet wurde es vorab am 7. Februar - und damit vor der Ankündigung der Berlinale mit Blick auf die Einladung von AfD-Politiker*innen zur diesjährigen Festival-Eröffnung.