© Bundesarchiv, Bild 170-160 / Max Baur / CC-BY-SA 3.0
00:00
02:07
 Bundesarchiv, Bild 170-160 / Max Baur / CC-BY-SA 3.0

Der Potsdamer Stadtkanal | History Snippets

...und wie die Potsdamer Parteien zum Wiederaufbau stehen

23.04.2024 Matti Geyer

Am 9. Juni ist nicht nur Europawahl. Auch die Potsdamer*innen sind aufgerufen, eine neue Stadtverordnetenversammlung zu wählen. Ein Thema: Die Wiederherstellung des Potsdamer Stadtkanals. Er soll wieder durch die Innenstadt fließen und im Sommer eine kühlende Wirkung haben. Laut Jürgen Kropp vom Institut für Klimafolgenforschung ein Schritt in die richtige Richtung. Bei Starkregen würde er zudem als Auffangbecken wirken. Hier hört ihr die Geschichte des Kanals zusammengefasst von FluxFM-Redakteur und Potsdam-Stadtführer Matti Geyer.

Außerdem haben wir die großen Parteien gefragt, wie sie zum Stadtkanal stehen:

SPD: Wir haben immer heißere Sommer in der Stadt. Viele Städte haben deshalb ihre Stadtkanäle zur natürlichen Entkühlung bereits entsiegelt. Er könnte ein Aufenthaltsort für Familien werden, der Erholung und Kühlung in der Mitte der Stadt bietet. Die SPD ist aber so ehrlich zu sagen, zuerst gilt es die großen Herausforderungen wie Wohnen, Bildung und Verwaltung stabil zu gestalten. Deswegen hatte der Oberbürgermeister wegen der engeren Haushaltslage gebeten, das von ihm zunächst wiederbelebte Projekt nach hinten zu stellen.

CDU: Die Gründe für eine Reaktivierung des Stadtkanals sind vielfältig. Der Kanal wurde ab 1722 von holländischen Einwanderern errichtet und gibt der historischen Innenstadt ein internationales Flair. Der Kanal umfasst ca. 20.000 qm Wasserfläche, die bei einem Fließgewässer im am dichtesten bebauten Teil Potsdams im Sommer ihre kühlende Wirkung entfalten können. Das hat das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bestätigt. Der Kanal ist als Grundwasserregulierung und Transportweg errichtet worden. Während Transporte heute über Lkw abgewickelt werden kommt es gerade aktuell am tiefsten Punkt der Altstadt, der Kreuzung Yorckstraße/Wilhelm-Staab-Straße, wieder zu Nässeschäden im Nikolaisaal durch zu hoch stehendes Grundwasser. Das wäre durch den Kanal vermieden worden. Für die regelmäßig auftretenden Starkregenfälle diente der Kanal als Rückhaltebecken und Ablaufweg. So liefe nicht regelmäßig zweimal im Jahr die historische Kanalisation der Potsdamer Altstadt über. Der Kanal wurde von einer pittoresken Lindenallee mit über 200 Stadtbäumen gesäumt, von denen erst ein kleiner Teil an den freigelegten Abschnitten neu gepflanzt wurde. Der Kanal trennt und verbindet städtebaulich die Alt- und die Neustadt und stellt so ein verbindendes Element zwischen dem heutigen Zentrum an der Brandenburger Straße und dem Alten Markt dar. Der Kanal ist als Wasserweg ausschließlich für muskel- und elektrobetriebene Fahrzeuge konzipiert. Das ist ein entscheidender Beitrag zur Tourismusförderung. Wir gehen deshalb davon aus, dass sich nach der Kommunalwahl eine erneute Mehrheit für die
Freilegung und Instandsetzung in Abschnitten finden wird. Fördermittel stünden zur Verfügung.

Grüne: Eine Wiederherstellung des Stadtkanals ist ein langfristiges Projekt, das nur schrittweise umgesetzt werden kann. Im Zusammenhang mit einer integrierten städtebaulichen Entwicklung - wie für den östlichen Bereich bereits vereinbart - bietet sich jedoch die Möglichkeit für eine deutliche stadtökologische Aufwertung eine Areals, das bislang durch hohen Versiegelungsgrad sowie durch fließenden und ruhenden Autoverkehr dominiert wird und wenig Aufenthaltsqualitätbietet. Bei künftigen Haushaltsverhandlungen ist das Projekt mit anderen Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen abzuwägen.

FDP: Die Freien Demokraten Potsdam befürworten und unterstützen den Wiederaufbau des Stadtkanals. Der Stadtkanal kann - wird es richtig gemacht - einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Mikroklimas der Stadt und zur besseren Ableitung von Starkregen, mit denen in Zukunft in Folge des Klimawandels gerechnet werden muss, leisten. Wir müssen davon ausgehen, dass wir in Potsdam den Klimawandel nicht signifikant stoppen können. Allerdings ist es möglich, dass wir Potsdam auf die Auswirkungen vorbereiten und auch unter wahrscheinlich stark veränderten klimatischen Bedingungen lebenswert erhalten. Gleichzeitig spielt der Stadtkanal städtebaulich eine wichtige Rolle zur Wiedergewinnung historischer Maßstäbe der Potsdamer City. Für die Finanzierung befürworten die Freien Demokraten Potsdam einen Mix aus privatem Fundraising, sowie Bundes- und Landesmittel. Das Thema muss u.E. mit der Reduzierung des Durchgangsverkehrs (Stichwort Havelspange) und einer intelligenten Parkraumbewirtschaftung (Ersetzung von oberirdischen Parkplätzen etwa durch ein Parkhaus unter dem Platz der Einheit) zusammengedacht werden.

Die Linke: Es erstaunt uns immer wieder, dass Potsdam Mitteschön & ihre Freund:innen behaupten, mit einer Rekonstruktion der historischen Innenstadt könne das Stadtklima verbessert werden. Das Gegenteil wird gerade, wenige Meter vom Alten Stadtkanal entfernt, am Alten Markt bewiesen. Eine Wasserquelle würde der dortigen Betonwüste wahrlich gut tun. Doch die Havel führt durch die zunehmenden Trocken- und Hitzeperioden jetzt schon zu wenig Wasser für das größenwahnsinnige Preußenprojekt eines historischen Stadtkanals. Außerdem müssten die Breite Straße, der Platz der Einheit und die Straße Am Kanal aufgerissen, Straßenbahngleise neu verlegt und Brücken für Autos und Fußgänger gebaut werden. Das allein erzeugt durch den Bau und den dadurch verursachten Stau so viele klimaschädlichen Emissionen, dass das Klimaschutzargument der Befürworter:innen in sich zusammenfällt. Deutlich relevanter für den Klimaschutz in Potsdam wäre, den ÖPNV auszubauen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, damit alle Menschen kürzere Wege haben.

AfD: Die AfD Potsdam spricht sich seit Jahren für den Wiederaufbau des Stadtkanals aus. Wir sehen darin eine deutliche Steigerung der Lebensqualität und Verbesserung der Stadtökologie und damit des Stadtklimas, auch da der Kanal zu Kühlung der Innenstadt beitragen kann. Zudem spielt die Wiederherstellung der ursprünglichen Stadtarchitektur im Sinne der Denkmalpflege, Kulturerhaltung und Tourismusförderung für uns eine wichtige Rolle. Leider hat der amtierende Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) Potsdam an den Rand der Haushaltsnotlage gewirtschaftet, was eine Finanzierung des Wiederaufbaus des Stadtkanals bis auf weiteres stark erschwert. Die AfD Potsdam setzt sich für die Beantragung von Fördermitteln des Bundes ein, um die Finanzierung des Projekts sicherzustellen.

Die Andere: Die Wiederherstellung des historischen Stadtkanals als stadtbildprägendes Element im Sinne der weiteren Historisierung der Stadt lehnen wir als DIE aNDERE ab. Auch städtebaulich steht die historische Kanalführung wichtiger öffentlicher Nutzungen entgegen. Der Erhalt des sozio-kreativen Zentrums (Rechenzentrum) ist nicht nur durch den Wiederaufbau der Garnisonkirche (speziell des Kirchenschiffs oder des angedachten „Haus der Demokratie“), sondern auch durch die Öffnung des Stadtkanals (verbunden mit einer neuen Verkehrslösung der Dortustraße) bedroht. Die Umgestaltung der Parkfläche auf dem Gebiet des ehemaligen Stadtkanals im Bereich der Straße „Am Kanal“ ist dringend geboten. Hier kann und sollte blaue und grüne Infrastruktur eine Lösung sein. Lösungsvorschläge seitens der Stadtverwaltung, wie die „Nachahmung“ der Kieler Lösung (entlang der Holstenbrücke) verursachen hohen technischen und energetischen Aufwand. Der klimatische Effekt des Kanals ist auch abhängig von der Fließgeschwindigkeit. Im Zusammenhang mir der Erstellung der Stadtklimakarte für Potsdam wurde ein leerer und voller Kanal im Bereich der Yorkstraße durch den DWD vermessen. Das tagsüber aufgewärmte (stehende) Wasser trug nicht zur nächtlichen Abkühlung, sondern zur Wärmefreisetzung in der Nacht bei (zusätzliche Hitzebelastung). Zu beachten ist auch, dass die Havel seit vielen Jahren eine abnehmende Fließgeschwindigkeit hat und somit zusätzliche, technische „Fließhilfe“ notwendig ist. Eine moderne, den Bedürfnissen der Klimaanpassung der Stadt gerechten Lösung, sollte weiter diskutiert werden. Aber nur dann, wenn dies die Zielgröße ist, und das Vorhaben auf das Gebiet Yorckstraße/Am Kanal beschränkt wird, da dieses zum Bereich der höchsten städtischen Erhitzung gehört.