Rechtsextremismus – "ein gesamtdeutsches Problem" | Jakob Springfeld im Interview
Der Autor von "Unter Nazis. Jung, ostdeutsch, gegen Rechts" im Gespräch über sein Buch, Rechtsextremismus & die Wahlen 2024
Im Herbst 2024 werden in Sachsen, Thüringen und in Brandenburg neue Landtage gewählt. Laut aktuellen Umfragen könnte die AfD in allen drei Bundesländern stärkste Kraft werden. In Thüringen wäre – Stand jetzt – eine Regierung ohne die AfD nur möglich, wenn CDU und Die Linke koalieren. In Sachsen könnten derweil die SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen den Einzug ins Landesparlament verpassen.
Jakob Springfeld ist Autor des Buches "Unter Nazis. Jung, ostdeutsch, gegen Rechts". Er kommt ursprünglich aus Zwickau und hat unter anderem die Theodor-Heuss-Medaille für besonderes Engagement für Demokratie und Bürgerrechte erhalten. Wir haben mit ihm über sein Buch, seine Erfahrung mit rechtem und rechtsextremen Gedankengut in Sachsen sowie das Wahljahr 2024 gesprochen.
Autor und Aktivist Jakob Springfeld im FluxFM-Interview
Katia Berg, FluxFM: Mich persönlich hat das Buch wahnsinnig betroffen gemacht. Nicht nur du bist in Zwickau groß geworden, sondern auch ich. Ich kenne alle Plätze, auf die du dich beziehst. Was ich schockierend beim Lesen fand, ist, dass zwischen uns 20 Jahre liegen und sich aber anscheinend nichts geändert hat. Schon zu meiner Zeit gab es ein Riesenproblem mit Nazis, die sogenannten Baseballschlägerjahre in den 90ern. Warum schafft es da die Politik beziehungsweise die Lokalpolitik nicht, sich klar zu positionieren, Kräfte gegen rechts zu bündeln und Widerstand zu formieren? Was funktioniert da nicht?
Jakob Springfeld: Ich glaube, weil auch auf den lokalpolitischen Akteur*innen, die eigentlich für sich beanspruchen demokratisch zu sein, mittlerweile so ein großer, auch rechter Druck haftet. Es gibt halt einfach eine starke AfD-Fraktion im Stadtrat und die stimmt in Teilen mit der CDU gemeinsam ab. Für Genderverbote in der Stadt, um ein Beispiel zu nennen. Und gerade für so eine Oberbürgermeisterin sinkt dann auch nach und nach ein Stück weit der Handlungsspielraum, den sie sich natürlich trotzdem erkämpfen müsste. Dazu kommt meiner Ansicht nach, dass, zugespitzt formuliert, immer häufiger fast schon so eine Art Täter-Opfer-Umkehr stattfindet. Nämlich, dass diejenigen, die die extrem rechten Strukturen vor Ort benennen, als Nestbeschmutzer, als Denunzianten der Stadt abgetan werden, ohne ihre berechtigte Kritik wahrzunehmen und darauf irgendwie eine Veränderung aufzubauen.
Sascha Schlegel, FluxFM: Es gibt das verbreitete Klischee, dass der Osten sehr empfänglich für die rechten Ideologien ist. Welche Erklärung hast du dahingehend vielleicht für dich zurechtgelegt oder gefunden?
Jakob Springfeld: Ich glaube, dass es natürlich ein gesamtdeutsches Problem ist. Das zeigen auch die Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Das zeigen die gesamtdeutschen Pläne von AfD und Co. Gleichzeitig glaube ich, bricht man sich keinen Zacken aus der Krone, wenn man einfach anerkennt, dass Bundesländer wie Sachsen vielleicht stärkere Probleme mit der extremen Rechten haben als Hamburg oder Schleswig-Holstein. Ich glaube, das sorgt auch das eine oder andere Mal dazu, dass Menschen in Westdeutschland das Problem so ein bisschen von sich weisen. Nur: wenn wir anerkennen, dass in Sachsen das Problem größer ist, heißt es natürlich nicht, dass diese Bundesländer nicht auch vor ihrer eigenen Haustür kehren müssen. Aber ich glaube gerade die Geschichte, auch zu DDR Zeiten von mosambikanischen Gastarbeitern beispielsweise, die damals auch schon Rassismus erlebt haben und dass all diese Dinge kontinuierlich totgeschwiegen wurden, das hat zu dieser Entwicklung geführt.
Das Interview mit Jakob Springfeld wurde am 17. Januar im FluxFM-Programm ausgestrahlt. Zum Nachhören findet ihr es oben auf dieser Seite. Hier findet ihr außerdem sein Buch "Unter Nazis. Jung, ostdeutsch, gegen Rechts", welches im Quadriga Verlag erschienen ist.