Traum für die Frauen von Hertha BSC? "Natürlich Champions League" | Sofian Chahed im Interview
Der Projektleiter Frauenfußball über den ersten Monat der Frauen im Verein, die Kaderplanung sowie seinen Traum für das Team
Diesen Sommer hat bei Hertha BSC eine neue Zeitrechnung angefangen - erstmals seit den 1980ern kicken wieder Frauen und Mädchen im Verein. Möglich macht es eine Kooperation mit Hertha 03 Zehlendorf. Deren Frauen- und Mädchenteams sind zum Juli von der kleinen zur großen Hertha gewechselt.
Damit alles klappt, hat Sofian Chahed mächtig gearbeitet. Der frühere Profi-Kicker ist seit Oktober 2022 als Projektleiter Frauenfußball verantwortlich. Der gebürtige Berliner kennt nicht nur den Verein (mehr als 200 Spiele im Hertha-Trikot), sondern auch die Fußballwelt der Frauen. Er war zwei Jahre Cheftrainer beim 1. FFC Turbine Potsdam - dem Fußball-Aushängeschild für Frauen in Berlin und Brandenburg.
Herthas Projektleiter Frauenfußball Sofian Chahed ...
... über das Arbeitspensum der vergangenen Monate:
"Es war gewaltiger als ich gedacht hätte, als ich den Job angetreten bin. Wir mussten koordinieren zwischen den Verbänden, weil die ersten Frauen in der Regionalliga beim Nordostdeutschen Fußballverband, die U17 beim DFB in der Bundesliga und alle weiteren Mannschaften beim Berliner Fußball-Verband spielen. Zudem kam die Koordination zwischen Hertha BSC und Hertha Zehlendorf. Dann gab es einen Führungswechsel bei uns auf der Geschäftsführer Ebene Sport. Und deswegen war es, offen und ehrlich gesagt, nicht komplett einfach. Aber deswegen macht es mich umso stolzer, dass wir jetzt quasi so ein bisschen die ersten Früchte ernten und wir hoffen, dass da noch ganz viele dazukommen." - Sofian Chahed
... darüber, dass das Projekt Frauenfußball bei Hertha BSC endlich Fahrt aufnimmt:
"Es ist sehr erleichternd, weil die letzten Monate hat man viel in der Planung gesteckt, hat sehr viel Zeit investiert. Konnte die Arbeit, die man geleistet hat, aber noch nicht so wirklich greifen. Und wenn man dann die Frauen beim ersten Spiel gegen die Karlsruher-SC-Frauen gesehen hat, dann war das schon ein schönes Gefühl, dass man erst mal angekommen ist. Aber nichtsdestotrotz liegt immer noch viel Arbeit vor uns. Glücklicherweise haben die ganzen jüngeren Mannschaften gerade noch Ferien. Da läuft die Eingliederung auch gerade immer noch. Also es ist nicht ab Tag eins alles perfekt, sondern im Übergang. Aber wir haben viel Hilfe vom Verein, aus den jeweiligen Teams. Und da bin ich sehr froh drüber." - Sofian Chahed
... über die Kaderplanung der Hertha-Frauen:
"Der Kern ist natürlich von Hertha 03 Zehlendorf. Da haben wir profitiert. Sie haben dort eine sehr gute Arbeit geleistet. Sie haben dann aber aus der U17 viele Spielerinnen nach Westdeutschland abgeben müssen, weil diese keine Perspektive mehr gesehen haben und dort die Möglichkeit hatten sich in Profi- oder Zweitteams weiterzuentwickeln. Da haben wir auch angesetzt, dass wir nicht mit dem Hammer kommen wollten und sagen, dass 50 Prozent der Mannschaft gehen kann und wir neue holen. Wir haben ja auch eine Verantwortung gegenüber den Spielerinnen, die schon lange bei Zehlendorf waren. Da war es unser Anliegen, diese bestmöglich aufzufangen. Wenn es für die Erste nicht mehr reicht, dass wir die Möglichkeit geben in der zweiten Frauen zu spielen. Der Kader ist jetzt relativ groß und wir haben noch eine dritte Mannschaft angemeldet, um den Mädels gerecht zu werden. Natürlich können wir nie allen gerecht werden. Es wird einzelne geben, die sich ungerecht behandelt fühlen." - Sofian Chahed
... über die Pläne für die Frauen und Mädchen bei Hertha
"Unser Anliegen ist es, eine Leistungskultur zu etablieren. Wir wollen es Schritt für Schritt machen und haben uns kleine Schritte für das erste Jahr gesetzt. Wir wollen erst einmal den Spagat zwischen Breiten- und Leistungssport hinbekommen. Und dann auch den Spagat in den Leistungsteams, was wir erwarten können und was die Teams leisten können. Wenn wir erst um 20 Uhr Training haben, ist das schwierig. Da müssen wir unsere Erwartungshaltung auch anpassen. Aber um das Setup in Richtung besserer Amateur- oder Profisport zu bringen, liegt noch ein langer Weg vor uns." - Sofian Chahed (Anm. d. Red. Chahed bezieht sich darauf, dass die Spielerinnen keine Vollprofis sind, sondern noch Schule/Studium/Arbeit haben)
... über die Entscheidung von Hertha zur Teamübernahme und nicht Neugründung:
"Wir haben natürlich geguckt, was in Dortmund, Mainz und Stuttgart passiert, wo teils auch Kooperationen geschlossen wurden. Und wir haben uns bewusst für die Kooperation entschieden und gegen eine Neugründung, weil Hertha 03 Zehlendorf ein schönes Gelände und gute Infrastuktur hat. Und um den Mädels eine gute Infrastruktur bieten zu können, mussten wir diesen Weg wählen. Im nächsten Schritt ist es unser Ziel gemeinsam mit dem Berliner Senat, der Stadtverwaltung beziehungsweise dem Olympiapark auf die Trainings- und Spielmöglichkeiten für die Mädchen- und Frauenmannschaften hier auf dem Gelände schaffen. Ich glaube, dass sind wir ihnen definitiv schuldig. Wir dürfen Sie nicht herholen und als fünftes Rad am Wagen behandeln. Deswegen haben wir uns für die Kooperation entschieden, dass wir immer einen Rückzugsort in Zehlendorf haben, wo die Teams spielen und trainieren können." - Sofian Chahed (Anm. d. Red.: weil es zu wenige Plätze auf dem Olympiaparkgelände geben kann, besteht die Option, dass die Frauen und Mädchen von Hertha BSC teilweise bei Hertha 03 Zehlendorf trainieren und spielen)
... über seinen Traum für die Frauen von Hertha BSC:
"Ich glaube, da müssten wir erst einmal eine Zeit definieren. Und ja, ich träume auch und hoffe, dass ich da auch immer noch weiter dabei bin. Und das ist natürlich auch die Champions League. Um Gottes willen. Aber ich glaube, wir reden jetzt über einen Zeitraum, zweistellig in Jahren gerechnet." - Sofian Chahed
Das komplette Gespräch mit Sofian Chahed hört ihr oben auf der Seite.