Tocotronic - Golden Years | Album der Woche
Das Politische im Privatem
17.02.2025 Jonathan Lüders
Tocotronic ist deutsche Musikgeschichte: nach über 30 Jahren im Geschäft, sind Arne Zank, Jan Müller und Dirk von Lowtzow aber bescheiden geblieben - auch wenn sich dieses Album in die Reihe der Albumcharterfolge einreihen wird.
"Wir haben jetzt nicht Millionen-Klickzahlen anderer Bands" (Jan Müller)
Als große Band verstehen sich die drei noch immer nicht. Ob und wie groß man sich selbst sieht, liegt auch immer an der Projektionsfläche, die man anlegt. Aber so geräuschlos und einflussreich wie Tocotronic durch die Jahrzehnte fliegen, dabei ein beständiger Faktor am Musikhorizont einer ganzen Generation bleiben, das muss man erstmal hinkriegen.
Und so steht "Golden Years" am vorläufigen Ende einer langen Reihe fantastischer Alben.
Tocotronic
Golden Years - Rezension I
"Golden Years" - ein Titel den man lesen kann wie man will, meint Dirk von Lowtzow. Sarkastisch, ironisch, ernsthaft - aber bitte nicht nostalgisch. Denn für Tocotronic liegt der Vergangenheit kein Zauber inne. Es geht ums Hier und Jetzt und dem Anspruch - und darum, dem Zeitgeist immer ein bisschen voraus zu sein. Das macht Klassiker-Alben aus: sie sind in dem Moment des Erscheinens relevant und bleiben es über die Jahre, weil sie Hoffnungen und Ängste ihrer Hörerschaft was werden könnte, musikalisch vereint.
Tocotronic
Golden Years - Rezension II
Weil diese Zeit eine Politisierte ist, finden Tocotronic auch wieder Worte zum um sich greifenden reaktionären Zeitgeist - und trägt den ins Private. Keine Zeigefinger, kein Gebrüll, keine Gewalt - nein. Küsse auf den Mund ist Tocotronics Lösung.
Tocotronic lassen das Berghain brennen, sinnieren über den Tod und wie man ihm (vielleicht) entkommt, entkommen sich selbst und schweben auf "Golden Years" mal wieder über den Dingen. Ab jetzt gehört das Album allen, die etwas damit anfangen können - und das dürften wieder eine ganze Menge an Menschen sein.
Im Radio: 17. - 23. Februar 2025