Frisch gepresst - mit Alli Neumann, Sipho. und Sofia Kourtesis
Rezension Alli Neumann
Auf dem Albumcover: Alli Neumann mit neongrüner Bluse, feurrotem Haar und in der Linken Hand: eine Kamera. Die Musikerin, die auf ihrem Debüt Madonna Whore Complex noch zu gern lyrische Pirouetten drehte, ist jetzt mit Primetime zurück - direkter, selbstbewusster.
Der Weg dahin war steinig: Schreibblockaden, Identitätskrisen und zu viel Druck, den sie sich selbst macht. Das schwierige zweite Album ist genau das. Deadlines helfen ihr aus der Misere, und eine Neudefinition ihrer eigenen Rolle. So erklärt sich auch die positive Grundstimmung auf Primetime.
Musikalisch wird wild gemixt: eigentlich ist Alli Neumann eine Freundin von Reduktion, weil sie selbst den Hang zum Überladen hat. Gelingt ihr hier nicht immer - und das ist gut so. Ein soundästhetisches Albumkonzept - gibt es schlichtweg nicht.
Primetime klingt wie der chaotische Schreibtisch, bei dem man trotzdem genau weiß wo etwas zu finden ist - und so liegt alles am richtigen Platz. Der Zweitling ist eine Endorphinschleuder, lässt auf einer emotionalen Schiene aber auch ganz tief in Alli Neumanns Biographie blicken.
(Autor: Daniel Meinel)
Sipho. - Prayers & Paranoia
Rezension Sipho.
Die Foo Fighters, die Serie The Bear und Sigmund Freuds Strukturmodell der Psyche - drei Dinge, die nicht sehr viel gemeinsam haben, die aber alle wichtig sind für die Musik eines jungen Newcomers aus Birmingham namens Sipho.
Aber fangen wir von vorne an. Wie so viele wird Sipho. mit der Plattensammlung der Eltern sozialisiert. Neben Jazz und Soul findet sich da viel Chris de Burgh und vor allem Roxette. Dazu kommt schnell die Liebe zu Rockbands wie Paramore, Three Days Grace oder den Foo Fighters. Die Mischung wird mit den Jahren immer eklektischer. Solange, Earl Sweatshirt, Frank Ocean … Sipho. saugt alles auf und bringt es mit ein in seine eigene Musik.
Nicht verwunderlich also, dass sich sein Sound gängigen Genre-Strukturen verweigert. Irgendwie steckt da alles drin und gerade wegen dieser Vielfalt packt einen das Debütalbum Prayers & Paranoia von Anfang bis Ende. Das gilt auch für die Texte. Auch hier findet sich alles wieder, was Sipho. beschäftigt. Beeinflusst von Filmen und Serien wie Hidden Gems oder The Bear, geht es im Großen und Ganzen irgendwie ums Erwachsenwerden.
Sipho. schreckt dabei nicht davor zurück, komplexe Theorien wie die Auseinandersetzung mit Sigmund Freuds Konzept des Über-Ich in Songs zu packen. Oder die Auswirkungen von Social Media auf die Selbstzweifel, die einen plagen.
Schlau, wortgewandt und tiefgängig ist das Debüt geworden. Es lässt tief blicken in die Seele des Anfang 20-Jährigen und ist musikalisch eines der erwachsensten und durchdachtesten Newcomer-Alben seit Langem. Dem man die musikalischen Einflüsse anhört, die Gospels, die Sipho. in der Kirche aufgeschnappt hat, den Jazz, der er in Birminghams Jam-Szene verinnerlicht hat und ja, auch die Roxette-Platten der Eltern. Dann nämlich, wenn da ordentlich Bums drauf ist. Ein eklektisches Album aus einem Guss.
(Autor: Micha Gehrig)
Sofia Kourtesis - Madres
Rezension Sofia Kourtesis
2021 verliert die peruanische Produzentin Sofia Kourtesis ihren Vater an Leukämie. Noch im selben Jahr erhält auch ihre Mutter eine bittere Krebs-Diagnose. Mehrere Ärzte lehnen es ab, die lebenswichtige, aber risikohafte Operation durchzuführen. Daraufhin postet sie den Song Vajkoczy auf Instagram.
Zu dem damals noch unbenannten Track schreibt sie, dass sie das Lied dem Neurochirurgen Peter Vajkoczy widmen würde, wenn er ihre Mutter operiert. Über mehrere Ecken sieht der Arzt ihre Story und erklärt sich bereit, die OP durchzuführen. Sofias Mutter überlebt. Ihr Debütalbum Madres, zu deutsch Mütter, widmet sie nun in Gänze dem Arzt der ihrer Mama das Leben rettete und natürlich ihrer Mutter.
Entstanden ist Madres in Berlin, wohin es Sofia Kourtesis schon vor einer halben Ewigkeit verschlagen hat - der Liebe zur elektronischen Musik wegen. Die Clubszene inspiriert auch den Sound auf ihrem Debüt. Doch ihre peruanischen Wurzeln vergisst sie dabei nicht. Viele ihrer Texte schreibt die Produzentin auf spanisch.
Und auch klanglich setzt Kourtesis auf Inspiration aus Lateinamerika. Field-Recordings aus ihrer Heimatstadt Lima zum Beispiel reichern die House- und Techno-Produktionen an. Am Ende steht ein dichtes, emotional starkes, aber auch sehr tanzbares Album.
(Autor: Jonathan Lüders)
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"Frisch gepresst"-Historie: