Frisch gepresst - mit Mola, Romy, James Blake und Tirzah
11.09.2023
Mola - Das Leben Ist schön
Rezension Mola
Ein Glück ist das mit Mola und der Musik doch noch was geworden. Die in Italien geborene Münchnerin geht zuerst den Weg vieler, deren Traum die Musik ist. Jazzgesang studieren, in Plattenläden abhängen, viel kellnern, viele Projekte, die scheitern oder eingestampft werden. 2021 gelingt ihr mit ihrem Debütalbum Schnee im Sommer aber der Durchbruch - mit einem Mix aus Pop, Soul, ein bisschen Hip-Hop und Italo-Schlager. Daran knüpft sie jetzt mit dem Zweitling Das Leben Ist Schön an.
Weniger Hip-Hop, dafür 80er-Pop, NDW, Wave und vor allem: mehr Italo-Schlager. Denn Album Nummer 2 haut Gefühlsmäßig so richtig einen raus. Verknallt sein, die große Liebe, Trennungsschmerz - alles drauf auf Das Leben Ist schön. Kitschig oder schmalzig wird es hier aber nie, dafür sorgt Molas Gabe, immer die richtigen Worte zu finden.
Sie trifft auch deswegen immer den richtigen Ton, weil sie jegliches Klischee vermeidet. Die Geschichten fühlen sich real an, nichts ist schwarz-weiß und irgendwie alles auch ein bisschen dreckig, wie das eben mit der Liebe so ist. Auch mit der, die wenigstens ein bisschen gehalten hat.
Mola lädt mit Das Leben Ist Schön zum melancholischen Kneipenabend mit zu viel Schnaps ein. Man hängt leicht schräg über dem Glas, trauert so einigem hinterher und freut sich gleichzeitig auf das, was als nächstes kommt. Wären doch nur alle Alben über die Liebe so ehrlich.
(Autor: Micha Gehrig)
Romy - Mid Air
Rezension Romy
Vor gut 10 Jahren beginnt The xx-Sängerin Romy Madley Croft Songs für Pop-Künstler:innen wie Dua Lipa oder King Princess zu schreiben. Eine Zeit, in der sie sich außerhalb des Band-Kosmos neu kennenlernt. Jetzt geht Romy den finalen Schritt und veröffentlicht ihr erstes Soloalbum Mid Air.
Romys Debüt ist ein Liebesbrief an ihre musikalischen Wurzeln in der Londoner Clubszene. Hier tanzt sie nicht nur, sondern legt mit der Zeit auch auf. Dabei zelebriert Mid Air die queere Dance-Community mit Tracks wie Loveher und der darin beschriebenen Liebe zu einer Frau. Ein Song, über den sich die junge, noch unsichere Romy freuen würde.
Selbstbewusst singt Romy über ihre eigene Sexualität - unterlegt von mitreißenden Dance-Pop- und Trance-Sounds. Genres, die allgegenwärtig sind auf der Platte. Zum einen, weil sie Romys Liebe fürs Schwitzen auf der Tanzfläche widerspiegeln. Zum anderen durch ihre Zusammenarbeit mit Madonna-Produzent Stuart Price und Fred Again.
Den Sound ihrer Band The xx legt Romy aber nicht gänzlich ab - teils minimalistische Strukturen und launische Gitarren dürften bei Fans Flashbacks an die alten Tage des Londoner Trios erzeugen. Und doch nimmt sie uns mit auf ihren ganz eigenen Rave der Emotionen. Eine Party im Club, bei der alles erlaubt ist - von Euphorie bis Tränen.
(Autor: Jonathan Lüders)
James Blake - Playing Robots Into Heaven
Rezension James Blake
2009 wirbelt James Blake die clubaffine Dubstep-Szene kräftig durcheinander. Mit Genre untypischen Kniffen wie harmonisierten Gesang oder bewusst gesetzten Pausen. Die Musik des Briten entwickelt sich danach in einen Piano und R'n'B orientierten Sound. Dem wirkt er mit seinem neuen Album Playing Robots Into Heaven entgegen und kreiert eine Art Hommage an seine experimentellen Anfänge.
Mit Songs wie dem Opener Asking To Break oder Loading versprüht der Grammy-prämierte Produzent weiter traurige Indie-Boy-Vibes. Wirklich experimentell wird es auf der Single Big Hammer oder dem fantastischen Track Tell Me.
Behutsam baut James Blake seine Drumpatterns um die Melodien herum. Die Songs sind dadurch nicht immer eingängig, aber alles andere als eintönig. Zum Repertoire der neuen Platte gehören vor allem stark manipulierte Vocals, die besonders auf I Want You To Know glänzen.
Es ist nicht verwunderlich, dass gefühlt alle Künstler:innen mit James Blake zusammen arbeiten und seine Qualitäten als Produzent nutzen wollen: Kendrick Lamar, Beyoncé, Rosalía oder Travis Scott. James beeinflusst gerade den Electronica und Rap-Bereich maßgeblich und wird das auch mit Playing Robots Into Heaven.
(Autor: Jonathan Lüders)
Tirzah - Trip9love…???
Rezension Tirzah
Wer die Londoner Singer-Songwriterin Tirzah Mastin einmal live gesehen hat, weiß: sie ist die Meisterin des Understatements. Nicht nur auf der Bühne gibt sich Tirzah zurückhaltend, auch ihre neue Platte Trip9love…??? kündigt sie beiläufig in der Caption eines Instagram-Posts an. Und während sich in den Kommentarspalten noch die Herz-Emojis stapeln, ist das Überraschungsalbum schon da.
Produziert wurde die Platte von Tirzah Mastins langjähriger Kollaborateurin Mica Levi. Die gemeinsamen Sessions verlaufen ebenso unaufgeregt wie die Veröffentlichung der Platte selbst: Fragmente verzerrter Klavierschleifen und brüchige Rhythmen werden von den beiden so lang aneinander gepuzzelt, bis alles am rechten Fleck sitzt. So kommt es, dass sich Trip9love…?? nahtlos an seinen Vorgänger Colourgrade aschmiegt. Auch diese Platte spielt mit einer trägen Seltsamkeit und verwässerten Piano-Sounds.
Trip9love…??? - mit drei Punkten und drei Fragezeichen ist der Titel dieser Platte versehen. Jene Ratlosigkeit spiegelt sich in den sehr anspruchsvollen, chaotischen Songstrukturen wieder. Flüchtige Textsprengsel, endlose Wiederholungen, metallisches Geklimper – diese Platte will fordern, verwirren, die Sicht vernebeln. Und so unterscheidet sich Tirzahs drittes Album in seiner Radikalität dann doch von den Vorgängern. Mastins Musik war noch nie leichte Kost, doch diese Platte zeigt sich besonders sperrig.
Dennoch liegt dem Album ein schüchterner Zauber inne. Ihn zu erhaschen, erfordert nur etwas Geduld. Denn Mastins zarte Stimme relativiert peu a peu alles Disharmonische. So lässt sich ein Zugang zu dem irren Mix aus Neo-Soul und Offbeat-R'n'B finden. Dann lichtet sich der Nebel - und was übrig bleibt, ist von großer poetischer Schönheit.
(Autorin: Mathilda Schiller)
"Frisch gepresst"-Historie: